Ergänzende Stellungnahme des Bürgervereins Finkenkrug zu den Ausbauplänen auf der Bahnstrecke Berlin-Spandau – Nauen im Rahmen des Projekts i2030 vom 17. Juni 2021

Alternativ ist anstelle von Finkenkrug als Endpunkt der S-Bahn Falkensee vorgesehen. In diesem Fall würde der Regionalbahnhalt in Finkenkrug erhalten bleiben. Es steht also entweder ein S-Bahn Halt oder ein Regionalbahnhalt für Finkenkrug zur Entscheidung an.

Zudem wurde behauptet, dass sich die Fahrzeiten mit einer (Express)-S-Bahn im Vergleich zur Regionalbahn nur um wenige Minuten verlängern würden (siehe Folie 20 der Präsentation).

Bei diesem Fahrzeitvergleich wird zwar Jungfernheide, nicht aber die sehr schnelle Regionalbahnverbindung der RB 10 über Jungfernheide erwähnt, die heute nur 25 Minuten von Berlin Hbf bis Finkenkrug braucht. Zudem wird der Fahrtzeitenvergleich zwischen Hbf und Zoo unzutreffend dargestellt. Diese soll zwischen Hbf und Zoo eine Minute weniger als die RB 14 brauchen, obwohl sie zusätzlich in Bellevue und Tiergarten hält. Fakt ist, dass die RB 14 nicht 7, sondern nur 5 Minuten braucht. Die RB 14 hat heute eine Fahrtzeit von 28 Minuten ab Berlin Hbf nach Falkensee – und nicht 29, wie dargestellt. Die RE 2 braucht heute nur 14 Minuten bis Spandau – nicht 17, wie dargestellt. Sie braucht auch nur 20 Minuten bis Falkensee, und nicht, wie dargestellt, 24 Minuten.

Die Anzahl der Züge wurde für Finkenkrug variantenabhängig dargestellt: Entweder pro Stunde sechsmal eine S-Bahn, oder dreimal eine Regionalbahn (Seite 19 von https://www.i2030.de/wp-content/uploads/2021/06/i2030-Buergerinfo-Berlin-Spandau-Nauen.pdf):

Von einer Express S-Bahn ist auf dieser Folie nicht die Rede. Wenn es sechs Express S-Bahnen pro Stunde wären, müsste es ab Spandau pro Stunde zwölf S-Bahnen in jede Richtung geben, sechs als Express S-Bahn und sechs als normale S-Bahnen, obwohl letztere heute bereits kaum ausgelastet sind, weil auch Spandauer schnellere Regionalbahnen bevorzugen.

Was bedeutet das nun für Pendler aus Finkenkrug? 38 Minuten per Express S-Bahn von Hbf nach Finkenkrug über die Stadtbahn wäre bei einem Endpunkt der S-Bahn in Finkenkrug dann die einzige Option (ggf. noch langsamer, wenn nicht alle Verbindungen von Express S-Bahnen bedient werden). Die Anzahl der Halte verlängert die Fahrt noch einmal psychologisch: Fünf Halte kämen von Hbf nach Finkenkrug bei einer Express S-Bahn gegenüber der heutigen RB 14 hinzu: Bellevue, Tiergarten, Westkreuz, Nauener Straße und Klosterbuschweg. Insgesamt wäre Finkenkrug der zwölfte Halt ab Hbf. Auf der RB 14 ist Finkenkrug derzeit der siebte, auf der RB 10 der sechste Halt. Eine Express S-Bahn hätte also genau doppelt so viele Halte als die RB 10!

Die langsame und viel öfter anhaltende Gleichstrom S-Bahn soll es sein, die den bisherigen motorisierten Individualverkehr in großen Zahlen auf die Schiene lockt? Es ist zu erwarten, dass in Finkenkrug genau das Gegenteil geschehen würde, weil Pendler schnelle und komfortable Verbindungen von und nach Berlin wollen. Sie wollen auch umsteigefrei nach Brieselang und Nauen fahren können: Das gilt insbesondere für den großen Schülerverkehr, der durch die neue Brieselanger Gesamtschule noch einmal zunehmen wird.

Bei einem puren S-Bahn Szenario nach und ab Finkenkrug würden vermutlich viele Finkenkruger über Falkensee oder Dallgow nach Berlin fahren. Von Falkensee wäre man dann in 5-6 Minuten in Spandau (s. S. 21 von https://www.i2030.de/wp-content/uploads/2021/06/i2030-Buergerinfo-Berlin-Spandau-Nauen.pdf), dann nach weiteren 14 Minuten über die Stadtbahn bzw. nach nur 10 weiteren Minuten über den Nord-Süd Tunnel in Berlin Hbf. Wer steigt in Berlin Hbf in eine Express S-Bahn nach Falkensee, die 35 Minuten braucht, wenn viermal die Stunde bequemere Regionalbahnen fahren, die 15-20 Minuten brauchen?

Weiterhin verteilen die Regionalbahnen die Verkehrsströme viel besser innerhalb Berlins, weil sie auf drei verschiedenen Trassen geführt werden: Von und nach Gesundbrunnen, von und nach Südkreuz über Jungfernheide, und über die Stadtbahn. Die S-Bahn ist hingegen auf die Stadtbahn beschränkt, die bekanntermaßen auch sehr störungsanfällig ist. Deswegen kommt man mit einem diversifizierten Regionalbahnangebot viel besser an verstreute Ziele im Berliner Raum als mit einer einzigen S-Bahn Linie. Pendler schätzen die auch bequemere Regionalbahn aus langer Erfahrung und wollen diese ab Finkenkrug erhalten. Nur Nicht-Bahnfahrer stellen gegenteilige Thesen auf, wie die, dass eine S-Bahn eine bessere Feinverteilung leisten würde. Das stimmt schon deswegen nicht, weil man in der Regel für die Feinverteilung in Berlin umsteigen muss, egal, ob man in Finkenkrug in eine S-Bahn oder eine Regionalbahn steigen würde, mit letzterer aber so gut wie immer schneller und bequemer am Ziel ist.

Wenn der Regionalbahnhaltepunkt Finkenkrug durch eine S-Bahnstation ergänzt würde, ist davon auszugehen, dass das auch auf die Taktfrequenz der Regionalbahn deutlich negative Auswirkungen hätte. Diese Variante wurde in der Veranstaltung am 01.06.2021 gar nicht vorgestellt. Systemisch macht es deutlich mehr Sinn, eine S-Bahn am Knotenpunkt Falkensee als in Finkenkrug enden zu lassen. Oder an einem nach Westen „umgeklappten“ Haltepunkt Albrechtshof, von dem man in die Regionalbahn in einem nach Osten „umgeklappten“ Regionalbahnhaltepunkt Seegefeld umsteigen könnte (ähnlich wie beim Umsteigen in Charlottenburg) – wo Falkensee große Parkmöglichkeiten schaffen wird. Dann hätten die Regionalbahnen einen Halt weniger und die Berliner hätten ihre politische Forderung einer West-Spandau erschließenden S-Bahn umgesetzt, ohne dabei die Verkehrsströme in Finkenkrug und Seegefeld in Mitleidenschaft zu ziehen und das Stadtzentrum Falkensee mit ansonsten nötig werdenden P&R Hochhäusern zu belasten. Der alte Falkenseer Güterbahnhof böte gut Platz für Abstellanlagen der S-Bahn. Und die derzeitige Bahnhofsgestaltung in Falkensee könnte erhalten bleiben.

Es hat drei Jahre Vorplanung gebraucht, um hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Betroffenen eine Vorplanung zu erstellen, die eine S-Bahn bis Falkensee in sämtlichen Optionen enthält. Man wolle eine ergebnisoffene Planung, hieß es seitens des VBB – hat aber schon im Vorfeld die Weichen derart deutlich gestellt, dass die S-Bahn bis mindestens Falkensee gesetzt ist: „Die S-Bahn soll nach aktueller Planung mindestens bis Falkensee verlängert werden“, schrieb das VBB i2030 Team der Bahn AG des Bürgervereins Finkenkrug am 16.06.2021. „Grundlage der Planungen für die künftige Infrastruktur sind bereits erste durchgeführte fahrplantechnologische und eisenbahnbetriebswissenschaftliche Voruntersuchen, die zu den von den i2030-Partnern abgestimmten und nun im Detail zu planenden technischen Untersuchungsvarianten geführt haben. … Die Planer werden die von den i2030-Partnern erarbeiteten Untersuchungsvarianten im Rahmen der Vorplanung prüfen.“ Erst eine sich daraus ergebende „Vorzugsvariante ist dann die Basis für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung und folgende Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen“, hieß es weiter.

Nachdem vor vielen Jahren festgestellt wurde, dass eine S-Bahn für Brandenburg nicht wirtschaftlich ist, soll die Frage der Wirtschaftlichkeit erst ganz zum Schluss gestellt werden, nachdem fast alle Weichen schon gestellt sind? Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Was sagt der Landesrechnungshof dazu?

Offen ist bei der S-Bahn gemäß derzeitigem Planungsstand vor Beteiligung der Betroffenen nur noch, ob sie in Falkensee oder Finkenkrug endet. Warum enthält die Vorplanung nicht weitere Varianten? Eine S-Bahn Verlängerung z.B. nur bis Albrechtshof würde Berliner Bedürfnisse befriedigen, Brandenburg nichts kosten und die Trasse für weitere nicht-S-Bahn Gleise westlich von Albrechtshof freihalten. Und warum wird keine Variante ganz ohne S-Bahn aber mit vier RB-Gleisen ab Spandau mit in Betracht gezogen? West-Spandau könnte auch mit einem Regionalbahnhalt am Klosterbuschweg angeschlossen werden. Wo verbleibt die ergebnisoffene Planung, wenn ganz wichtige Weichen nach einer intransparenten dreijährigen Vorplanung bereits gestellt sind und andere S-Bahn Varianten nicht mit betrachtet werden?

Der Bürgerverein Finkenkrug fordert mit Nachdruck für die Finkenkrugerinnen und Finkenkruger den Erhalt des Regionalbahnhaltepunkts in Finkenkrug wie im Übrigen auch der Bürgermeister, die Stadtverordnetenversammlung von Falkensee (mit Unterstützung sämtlicher Fraktionen) und der Landkreis. Dieser Haltepunkt darf nicht durch einen reinen S-Bahnhof ersetzt werden. Zudem sollte der ab Fahrplan 2022 vorgesehenen Takt von drei Zügen pro Stunde und Richtung erhalten bleiben!

Wir fordern, dass das Lippenbekenntnis zu einer ergebnisoffenen Planung auch tatsächlich umgesetzt wird und die Varianten nicht darauf reduziert werden, ob die S-Bahn in Falkensee oder Finkenkrug endet. Es sollten viel mehr Varianten mit in Betracht gezogen werden.

Dr. Ines Mockenhaupt-Gordon Dr. Detlef Hardorp
1. Vorsitzende Arbeitsgruppe Bahn