Stellungnahme PRO Regionalverkehr Osthavelland vom 16. Juni 2021 zum aktuellen Planungsstand i2030 Nauen-Berlin

Unsere Kernanliegen sind:

1. Es sollte auch die Variante ohne S-Bahn-Verlängerung außerhalb Berlins, also nur Ausbau der Regionalbahntrassen durch ein drittes/viertes Gleis untersucht werden. Denkbar wären sowohl eine S-Bahn nur bis Albrechtshof oder nur der Ausbau in Richtung Falkenhagener Feld oder auch gar keine S-Bahn-Verlängerung.

Begründung: RB und RE sind für den Pendler/innenverkehr aus dem östlichen Havelland nach Berlin die Verkehrsmittel der Wahl. Eine zusätzliche S-Bahn hat sicher auch Vorteile, vergrößert aber den Aufwand immens, führt zu einer noch stärkeren Zerschneidung Falkensees und dürfte wegen zu erwartender Klagen vor allem auf Spandauer Seite das gesamte Projekt massiv verzögern, wie die Erfahrungen mit der Dresdner Bahn zeigen. Darauf sollte der RB-Ausbau nicht warten müssen. Die verkehrliche Situation der Pendlerinnen und Pendler ist inzwischen auf den Straßenverbindungen zwischen Berlin und dem westlichen Umland so prekär, dass schnelle, wirksame Lösungen zur Verlagerung der Verkehrsströme auf die Schiene sehr dringend sind.

Zu einer ergebnisoffenen Abwägung gehört es nicht, wichtige Varianten vorher auszuschließen, und noch weniger, dies nicht offenzulegen und zu begründen. Der starke Eindruck ist entstanden, dass es insbesondere auf Seiten des VBB bereits Vorentscheidungen gibt, den Fall ohne S-Bahn Verlängerung über Spandau hinaus bzw. eine Variante mit S-Bahn nur ins Falkenhagener Feld auszuschließen und diese vom gerade vertraglich gebundenen Planer nicht mit berücksichtigen zu lassen. Gibt es dafür irgendein politisches Mandat? Sind die Bürgerinnen und Bürger und die betroffenen Kommunen gefragt worden, ob sie damit einverstanden sind, insbesondere wenn der Preis ein Wegfall von RB-Halten sein soll? Wir fordern ein transparentes und ergebnisoffenes Verfahren auch unter Einbeziehung der Variante ohne S-Bahn-Verlängerung über Berliner Stadtgebiet hinaus. Unbestreitbar ist es sinnvoll, die Bahnerschließung von West-Spandau zu verbessern. Die könnte aber zum Beispiel auch durch einen zusätzlichen Regionalbahnhalt am Klosterbuschweg oder an der Hackbuschstraße geschehen, um die sehr aufwändige S-Bahn-Verlängerung vermeiden zu können.

2. Auch im Fall einer S-Bahn-Verlängerung sind die RB-Halte Finkenkrug, aber auch Albrechtshof/Seegefeld unbedingt zu erhalten und das RB-/RE-Angebot dort mindestens auf dem ab Dezember 2022 vorgesehenen Niveau weiter anzubieten, d.h. mindestens drei Zugpaare pro Stunde.

Begründung: Die weitaus meisten Pendlerinnen und Pendler bevorzugen die deutlich schnellere (und komfortablere, z.B. Toiletten) Regionalbahn. Würden Finkenkrug und Albrechtshof/Seegefeld nicht mehr von Regionalbahnen angefahren, wäre – auch bei einem zusätzlichen S-Bahn-Angebot – mit einer starken Konzentration des Bahn-Verkehrsaufkommens auf den Bahnhof Falkensee zu rechnen. Dies hätte katastrophale Folgen für den Verkehr in Falkensee, die Parkplätze im Umfeld des Bahnhofs Falkensee wären werktags schon früh morgens überfüllt, was neben dem verstärkten Autoverkehr dorthin zudem erheblichen Parksuchverkehr auslösen dürfte. Die zusätzlichen Autos würden zu einer weiteren Belastung der Zufahrtsstraßen (Bahnhofstraße, Finkenkruger Straße, Coburger Straße etc) beitragen. Die teils neu angelegten oder gerade neu geplanten und auch leichter erweiterbaren Pendlerparkplätze in Finkenkrug und Seegefeld dürften hingegen dann deutlich weniger genutzt werden. Zudem wäre mit einem massiven Ausweichen von Pendlerinnen und Pendlern nach Berlin auf den MIV zu rechnen, was den verkehrspolitischen Zielen von i2030 zuwiderläuft, teilweise vermutlich auch nach Dallgow-Döberitz, was dort die bereits bestehende starke Auslastung weiter zuspitzen würde. All dies gilt in besonderem Maße für Finkenkrug, weil hier die Zahl der Pendlerinnen und Pendler besonders hoch ist, grundsätzlich aber auch für Seegefeld/Albrechtshof. Dies widerspräche den Zielen der Falkenseer Stadtplanung, das Zentrum von Autoverkehr zu entlasten.

3. Falls eine S-Bahn nach Falkensee (oder Finkenkrug) verlängert wird, muss deren End-Bahnhof auf jeden Fall ein Knotenpunkt sein, also einen Umstieg von und zum Bahn-Regionalverkehr ermöglichen. Im Fall des Bahnhofs Falkensee als Endpunkt wäre dies gegeben, aber auch im Fall eines Endpunkts Finkenkrug wäre dies zwingend.

Begründung: Finkenkrug würde bei einem Wegfall des RB-Halts die Verbindung nach Westen, also nach Brieselang und Nauen, komplett verlieren. Diese ist zwar nicht so stark frequentiert wie die nach Berlin, jedoch gleichwohl wichtig für den Schülerverkehr sowie auch eine beträchtliche Zahl von Berufspender*innen. Viele Schülerinnen und Schüler fahren zum Schulzentrum Leonardo-da-Vinci-Campus, zum Oberstufenzentrum (OSZ) oder zum Goethe-Gymnasium in Nauen. Mit dem geplanten Aufbau der neuen Gesamtschule in Brieselang dürfte sich der Verkehr dorthin massiv verstärken. Ebenso gibt es über Finkenkrug Schüler- und Berufsverkehre in der Gegenrichtung von Nauen und Brieselang nach Falkensee, z.B. zum Vicco-von-Bülow-Gymnasium. All diese Menschen müssten dann wesentlich umständlicher über Falkensee fahren und dort umsteigen (oder gleich dort ein- bzw aussteigen mit den oben genannten Problemen). Ähnliches gilt sinngemäß auch für die geplante neue Linie nach Hennigsdorf als Ersatz für die RE6, die ebenfalls in Finkenkrug halten könnte und sollte. Ein reiner S-Bahn-Zubringerverkehr zum nächsten RB-Umstiegspunkt wäre aufwändig und würde das ÖPNV-Angebot insgesamt nicht verbessern, sondern verschlechtern.

4. Der von i2030/VBB genannte Fahrzeitvergleich S-Bahn/Regionalbahn sowie die Angaben zu einem möglichen S-Bahn-Takt müssen anhand realistischer Kriterien überarbeitet und transparent dargestellt werden.

Begründung: An den öffentlichen Darstellungen zu Fahrzeiten und Taktfolgen haben wir erhebliche Zweifel. Für den Fahrzeitvergleich wird auf Seiten des RB-Verkehrs bislang ausschließlich die RB14 herangezogen, die derzeit die mit Abstand langsamste Verbindung ist. Nicht berücksichtigt werden die deutlich schnellere RB10, die zudem sehr gute Verbindungen auch zum Potsdamer Platz und nach Südkreuz bietet sowie die künftige RE2 NEU von Nauen. Auch Potenziale für Fahrzeitverkürzungen bei RB und RE, die sich aus dem vorgesehenen Streckenausbau ergeben, bleiben unverständlicherweise außen vor. Auf der anderen Seite bleibt die Idee einer Express-S-Bahn sehr vage. Würden alle S-Bahnen von Falkensee Express-S-Bahnen sein? Was passiert, wenn Berlin auf mehr Halten auf seinem Stadtgebiet (Pichelsdorf, Heerstr., Messe Süd mit jeweils dichter Wohnbebauung) besteht. Auch die Angaben zu Taktzeiten sind ungenau. Derzeit gibt es in der HVZ einen 10-Minuten-Takt der S-Bahn zwischen Westkreuz und Spandau. Davon ist auch nach Falkensee die Rede. Wie soll das realistisch sein, wenn ein Teil der Züge (jeder zweite?) ins Falkenhagener Feld abbiegt? Bleibt dann für Falkensee nur ein 20-Minuten-Takt (das wäre bei vier Gleisen auch mit der RB problemlos möglich ohne aufwändigen sechsgleisigen Ausbau) und bei den Expresszügen womöglich noch weniger vor allem außerhalb der HVZ? Auf diese Fragen hätten wir gern klare Antworten. Sie sind maßgeblich für die Entscheidung zwischen verschiedenen Szenarien.

Fazit:

So wie wir die Ziele von i2030 verstehen, geht es um die Stärkung des ÖPNV zwischen Berlin und seinem Umland, möglichst verknüpft mit einer Verringerung des MIV. Diese Ziele würden durch einen Wegfall vor allem des RB-Halts Finkenkrug, aber auch von Seegefeld/Albrechtshof konterkariert, denn für einen Großteil der Pendler*innen ist der Bahn-Regionalverkehr weiterhin das schnellste und effizienteste öffentliche Verkehrsmittel zwischen den Falkenseer Bahnhöfen plus Albrechtshof und dem Berliner Stadtzentrum. Dies könnte auch durch eine S-Bahn-Verlängerung nicht kompensiert werden.

Generell wäre völlig unverständlich, warum sehr viel Geld ausgegeben werden sollte, um eine sechsgleisige Bahntrasse für Regionalverkehr und S-Bahn zu bauen und damit endlich statt eines Entweder-Oder eine Kombination der Stärken beider Verkehrsmittel zu ermöglichen – dann aber den Erfolg des gesamten Vorhabens wegen verhältnismäßig geringer Kosten z.B. für wenige zusätzliche Bahnsteige in Finkenkrug oder Seegefeld/Albrechtshof wieder in Frage zu stellen. Technische Fragen wie mögliche Raumprobleme an diesen RB-Haltepunkten scheinen uns hier – verglichen etwa mit den Problemen beim Ausbau des Bahnhofs Spandau und angrenzender Gleisanlagen – eher von nachrangiger Bedeutung zu sein.

Wir unterstützen daher ausdrücklich die Bemühungen auch der SVV und der Stadt Falkensee sowie des Landkreises Havelland um einen Erhalt auch der Regionalbahnhöfe Finkenkrug und Albrechtshof/Seegefeld. Wir möchten Sie auch darauf hinweisen, dass die Gefahr eines Wegfalls der RB-Halte Finkenkrug und Seegefeld/Albrechtshof die politische Akzeptanz der i2030-Planungen in Falkensee sowie mutmaßlich auch in Brieselang insgesamt gefährden und sogar eine massive Bürgerbewegung dagegen auslösen kann. Wir denken, Sie sollten mit den Bürgerinnen und Bürgern planen und nicht gegen sie.

Benno König
Sprecher PRO Regionalverkehr Osthavelland