Bach und die Klingeltöne
Künstlerreigen in Finkenkrug beginnt mit Klassik
Falkensee – Mit dem Berliner Duo Inventio begann die Kultursaison nach der Sommerpause im Finkenkruger Bürgerhaus mit klassischer Musik. Bereits zum zweiten Mal gastierte Flötist und Komponist Ulrich Roloff in Falkensee. Gemeinsam mit Johannes Mirow, stellvertretender Solo Cellist der Deutschen Oper Berlin, spielte er für Flöte und Violoncello neu arrangierte zweistimmige Werke. Leicht lädiert gab Roloff nach einem Unfall sein erstes Konzert, was seine Virtuosität dennoch keinesfalls schmälerte.
„Der erste Teil ist etwas schwierige Materie“ bereitete Roloff sein Publikum vor. Für Kenner ein seltener Genuss, bot das Duo Inventionen von Johann Sebastian Bach. Das Besondere: Die kleinen musikalischen Erfindungen komponierte Bach in sämtlichen damals spielbaren Tonarten. Jeweils Halbtonsschritten folgend dauern Bachs 15 Inventionen in der Regel nicht mehr als zwei Minuten. Klingeltonverdächtig nennt Roloff einige davon. Inzwischen sind 24 dieser kleinen Spielereien möglich. „Die Inventionen haben mich so begeistert“, erzählt der Flötist, „dass ich die fehlenden dazwischen spiele“. Man hört die Roloffschen Kompositionen im Stile Bachs kaum heraus. Im Original für das Klavier geschrieben wurde für Flöte und Violoncello umarrangiert. Das hat durchaus seine Vorteile, lassen sich doch die Stimmen so transparenter verfolgen. Äußert selten werden zudem Inventionen tatsächlich so am Stück gespielt. Dem Publikum hat es trotz schwerer Kost gefallen. „Der Zweistimmige Bach“ heißt dann auch die neue CD des Duo Inventio auf der eben jene Mischung aus altem Bach und neuem Roloff zu hören ist.
Der weitaus abwechslungsreichere Teil des Konzerts war sicher der zweite Teil. Das liegt in der Natur der Sache, waren dort Kompositionen Beethovens, des italienischen Violoncellisten Franz Danzi und des Brasilianers Heitor Villa-Lobos zu erleben. Wobei bei letzterem vor allem auch Cellist Johannes Mirow gefordert war. „Die Düsenpfeifen“ aus der Bachianas von Villa-Lobos begeisterte das Publikum derart, dass das Duo ohne Zugaben nicht entlassen wurde. „Warum das Düsenpfeifen heißt, werden wir im dritten Satz erfahren“ verkündete Roloff. Tatsächlich entlockte Mirow seinem Instrument, so an diesem Abend noch nicht gehörte Töne. Sich langsam steigernd rollten die Töne auf das Publikum zu, ebbten auf und wieder ab, wurden höher und tiefer währenddessen reizte Roloff die Töne seiner Flöte bis zur Schmerzgrenze aus. Das Publikum wurde förmlich mitgerissen.
Die Frage nach einer Zugabe war unnötig, ohne diese hätte das Publikum die Musiker nicht entlassen.
„Wir haben mit Bach begonnen und damit hören wir auch auf“, rief Roloff und verwies darauf: „Wenn jemand glaubt sein Handy geht an, ist das von uns“. Aber damit hatte das Publikum noch nicht genug und so gab es laut Roloff: „zur Beruhigung der Nerven und passend zu meinem momentanen Zustand `Ich stehe mit einem Fuß im Grabe´“.
Ántje Polese